Kann ertragreiche Landwirtschaft im Einklang mit der Natur betrieben werden? Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen – unabhängig davon, ob gerade über Initiativen gegen Pestizideinsatz abgestimmt wird. Eine mögliche Antwort ist die Permakultur, ein Konzept, das bereits in den 1970er-Jahren entworfen wurde und heute immer mehr Verbreitung findet. Auf dem Auenhof am Zürichsee können sich Besucher*innen ein Bild davon machen, was Permakultur ist und wie sie funktioniert.
Über den Begriff Permakultur war ich öfters gestolpert. Nun will ich endlich mehr über dieses Konzept, über diese Lebensphilosophie erfahren. Zu diesem Zweck besuche ich einen eintägigen Einführungskurs auf dem Auenhof in Feldbach. Nach einer halbstündigen S-Bahn-Fahrt ab Zürich und einem viertelstündigen Spaziergang auf einem Panoramaweg oberhalb des Zürichsees mit Blick auf Rapperswil, Berge und See, werde ich von Marcus Pan, dem Begründer des Permakultur-Hofs, freundlich empfangen.
Beobachten und wahrnehmen
Marcus Pan arbeitet schon seit über 20 Jahren an Permakultur-Projekten und berät Interessierte aus dem In- und Ausland. Den Auenhof hat er vor zwei Jahren übernommen und daraus inzwischen einen Ort der Wissensvermittlung gemacht. Regelmässig bietet er mit einem kleinen Team Kurse und Workshops zum Thema an. Sein Wissen gibt Marcus den Kursteilnehmenden unprätentiös, dafür umso überzeugender weiter: «Als ich den Hof übernommen habe, habe ich zuerst nur beobachtet und wahrgenommen: Wie ist der Sonnenstand und wo liegt Schatten in den verschiedenen Jahreszeiten? Woher kommt der Wind? Wohin fliesst das Wasser bei Regen ab? Wo bleibt der Schnee am längsten liegen?» Erst danach begann er die Gemüsebeete, den Kräutergarten, die verschiedenen Zonen ums Haus anzulegen. «Mit genauem Beobachten kann man sich viel vergebliche Mühe sparen.»
Achtsamer Umgang mit der Natur und mit den Menschen ist ein zentraler Bestandteil der Permakultur. Sie gründet darauf, natürliche Ökosysteme und Kreisläufe in der Natur genau zu beobachten und zu imitieren. Der Australier Bill Mollison entwarf das Konzept in den 1970er-Jahren zusammen mit seinem Schüler David Holmgren. Inzwischen hat sich die Permakultur von einer landwirtschaftlichen Gestaltungsmethode zu einer ökologischen Lebensphilosophie weiterentwickelt. Der Begriff kommt aus dem Englischen: «permanent (agri)culture».
Kluge Planung, reiche Ernte
Marcus bittet uns Kursteilnehmende freundlich, das Handy mal für ein paar Stunden beiseitezulassen, damit wir uns ganz auf die Umgebung und den Tag einlassen können. Es lohnt sich tatsächlich: Analoge Inputs bekommen wir genügend, ohne dass es zu viel wird. Wir werden über die auf dem Hof lebenden Pommernenten aufgeklärt, die hervorragende Schneckenjäger und Düngerlieferanten sind. Wir lernen die Gestaltung eines Hofs oder Gartens kennen, der nach den Prinzipien der Permakultur angelegt wird. Es fallen Stichworte wie «Vielfalt statt Einfalt». Es geht um eine kluge Sektoren- und Zonenplanung, die den Anbau an die vorhandenen Gegebenheiten der Topografie, des Klimas und der Ressourcen vor Ort anpasst.
Ich lerne: Permakultur braucht Zeit, gerade am Anfang. Mit einem Jahr Planung muss man da schon rechnen. Wer schnell zum Ziel kommen will, ist hier wahrscheinlich an der falschen Adresse. Denn bei der Permakultur spielen der Standort und die Beziehung zwischen den Elementen eine wesentliche Rolle. Wo kommen die Gartenkräuter, der Kompost, die Gemüsebeete und die Obstbäume hin? Wie verlaufen die Höhenlinien auf dem Grundstück? Letzteres ist vor allem für die Bewässerung zentral. Wer klug plant, wird mit reicher Ernte belohnt.
Mehr als nachhaltig
Bestechend ist vor allem, dass Permakultur nicht nur nachhaltig ist, sondern mehr. Marcus Pan erklärt es so: «Während man bei der Nachhaltigkeit darauf achtet, dass man nicht mehr konsumiert als man produziert, ist die Permakultur regenerativ. Sie erzeugt also mehr, als man braucht.» Heisst das folglich, dass man mit dieser Anbaumethode problemlos die gesamte Weltbevölkerung ernähren kann? Marcus gibt eine entwaffnend ehrliche Antwort: «Ich weiss es nicht.» Für ihn ist die Permakultur vor allem für kleine Bauernhöfe eine attraktive Alternative.
Beim Rundgang auf dem Auenhof faszinieren die Zusammenhänge, die symbiotischen Beziehungen unter den Pflanzen, aber auch zwischen den Pflanzen und Tieren. Es ist ein Mit- und kein Gegeneinander. So werden beispielsweise um die Obstbäume herum Pflanzen angelegt, damit sich die Mäuse dort verköstigen und nicht an den Baumwurzeln. Mäuse durchlüften mit ihren Höhlen den Boden. Deshalb werden sie nicht bekämpft.
Oase der Vielfalt, aber kein Paradies
Vieles scheint so logisch und so bestechend einfach zu sein, dass man sich fragt, weshalb nicht alle so wirtschaften und leben – in der Landwirtschaft oder im eigenen Garten. Was geradezu paradiesisch anmutet, ist jedoch mit viel Arbeit verbunden: Marcus beginnt seinen Arbeitstag um 7 Uhr und hat abends um 22 Uhr seinen letzten Rundgang abgeschlossen. Der grosse Einsatz scheint sich dennoch zu lohnen: Nach nur zwei Jahren hat er aus dem Bauernhof, der zuvor dreissig Jahre brachlag, eine Oase der Vielfalt und Fülle geschaffen. Sie zeigt, dass die Natur viel schenken kann, wenn man mit ihr zusammenarbeitet.
Als ich nach dem lehrreichen Kurstag den Auenhof wieder verlasse, klingen in mir die Worte von Permakultur-Begründer Bill Mollison nach, der bereits vor Jahrzehnten sagte: «Die wichtigste ethische Entscheidung ist, Verantwortung für unser eigenes Leben und das unserer Nachkommen zu übernehmen. Und zwar jetzt.» Dieser Aufruf ist heute genauso aktuell wie damals. Dass man gleich damit beginnen kann und das Rad nicht komplett neu erfinden muss, hat mir der Besuch bei Marcus Pan heute gezeigt. Das Wissen ist da. Es muss nur genutzt werden.
Permakultur-Hof Auenhof Feldbach